Bohnenstange von Kantemir Balagow

Ein Kino-Welterfolg zum Antikriegstag in Osnabrücker Erstaufführung: Das preisgekrönte russische Nachkriegsdrama „Bohnenstange“ am 01. September um 18.30 Uhr in der Lagerhalle.

 

 

 

Manchmal kommt die Erinnerung wie eine unerwartete Attacke. Dann erstarrt Iya plötzlich. Sie ist nicht ansprechbar, muss krampfartig schlucken. Ihre Kolleginnen sind es gewohnt. Sie machen ungerührt weiter mit ihrer Arbeit im Leningrader Veteranenhospital. Iya (Viktoria Miroschnichenko), mittlerweile Krankenschwester, war Soldatin in der Flugabwehr und hat ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Ihre Aussetzer sind eine Spätfolge der Verletzung.

 

Krankenschwester Iya (Viktoria Miroshnichenko) im Krankenzimmer

Mit „Bohnenstange“ legt der russische Regisseur Kantemir Balagow seinen zweiten abendfüllenden Spielfilm vor. Als Thema wählte er ein im populären Kinofilm vernachlässigtes Kapitel, das der 29-Jährige insbesondere einem jungen Publikum nahebringen möchte. Über den Zweiten Weltkrieg seien schon viele Spielfilme gedreht worden, sagt er, aber nur wenige widmeten sich den Frauen, die als Soldatinnen, Krankenschwestern und in anderen Positionen Anteil am Kriegsgeschehen hatten.

 

Inspiriert wurde Balagow von dem Dokumentarroman „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ der russischen Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch. Balagow siedelt sein Geschehen im Herbst 1945 in Leningrad an. Die Sowjetunion hat an der Seite der Alliierten über Deutschland gesiegt, brachte aber hohe Opfer. Soldaten und Zivilisten ließen ihr Leben. Iya, die wegen ihrer ungewöhnlichen Körpergröße „Bohnenstange“ gerufen wird, wohnt in einem Zimmer in einer früheren Großbürgerwohnung. Küche und Bad teilt man sich, die Schneiderin passt tagsüber auf Paschka auf, den man für Iyas Sohn hält. Tatsächlich ist er das Kind ihrer Kameradin Mascha (Vasilisa Perelygina), die bis zum Schluss gegen Deutschland gekämpft hat und ebenfalls schwer verwundet wurde. Als sie endlich nach Leningrad heimkehren kann, ist Paschka gestorben.

Mascha zieht bei Iya ein, beide versuchen, in ein normales Leben zurückzufinden. Aber die Kriegserlebnisse wiegen schwer. Mascha will unbedingt wieder schwanger werden. Ein Kind bedeutet Hoffnung, etwas, an das man sich klammern kann.

 

 

Protagonistinnen Mascha und Iya in ihrer Arbeitskleidung

Mit „Bohnenstange“ haben Kantemir Balagow und sein Ensemble – Hauptdarstellerin Viktoria Miroschnichenko stand erstmals vor der Filmkamera und liefert ein sensationelles Debüt ab – weltweit Beachtung gefunden. Ihr Film lief auf vielen namhaften Festivals, wurde mehrfach preisgekrönt und begeisterte Kritiker in aller Welt. Im Zuge der 92. Oscar-Verleihung wurde „Bohnenstange“ als offizieller russischer Beitrag in die Shortlist gewählt. Bei den Filmfestspielen von Cannes erhielt Balagow die Auszeichnung als „Bester Regisseur“ der Reihe „Un Certain Regard“.

 

Im Beiprogramm läuft der Beitrag „Kantemir Balagov – Layering History and Identity“, eine Filmcollage mit

Interviewausschnitten zu „Bohnenstange“, die der niederländische Fachjournalist und Filmemacher Joost Broeren im Auftrag des International Film Festivals Rotterdam produzierte.

 

 

Dienstag, 01. September 2020 | Einlass ab 18 Uhr, Beginn 18.30 Uhr | Lagerhalle, Rolandsmauer 26, 49074 Osnabrück

 

„Kantemir Balagov – Layering History and Identity“ von Joost Broeren
Niederlande 2020, 8 Min.
Englische Originalversion mit englischen Untertiteln.

 

„Bohnenstange“ von Kantemir Balagow
Russland 2019, 139 Min.
Russische Originalversion mit deutschen Untertiteln.

 

Veranstalter: 35. Unabhängiges FilmFest Osnabrück 2020 / OFF e. V., ver.di Ortsverein Osnabrück-Umland und das Bildungswerk ver.di Region Osnabrück.