Nah an der Wirklichkeit und sehr persönlich
Das 36. Unabhängige FilmFest Osnabrück endete am Sonntag mit einer feierlichen Preisverleihung – Hauptpreise für zwei Spielfilme mit historisch-biografischem Hintergrund – Jury „noch Tage später“ vom Preisträgerfilm gefangen.
Am Sonntagnachmittag sind beim 36. Unabhängigen FilmFest Osnabrück die diesjährigen Festivalpreise vergeben worden. Der Friedensfilmpreis Osnabrück ging an „Hive“ der kosovarischen Regisseurin Blerta Basholli. Stellvertretend für das Team nahm der Produzent Agon Uka die Auszeichnung und das von der Sievert Stiftung für Wissenschaft & Kultur bereitgestellte Preisgeld in Höhe von 15.000 Euro entgegen.
In Anlehnung an reale Ereignisse erzählt Blerta Basholli in ihrem Langfilmdebüt die Geschichte ihrer Landsfrau Fahrije Hoti, deren Ehemann seit einem serbischen Überfall auf die Ortschaft Krushë e Madhe vermisst wird und mutmaßlich mit vielen anderen Dorfbewohnern ermordet wurde. Ohne männliche Begleitung haben es die Frauen schwer in der patriarchalischen Gemeinschaft des Dorfes, sind sogar Anfeindungen ausgesetzt. Gegen vielerlei Widerstände gelang es der zweifachen Mutter, gemeinsam mit anderen Frauen eine Genossenschaft zu gründen und zu internationalem Erfolg zu führen.
„Hier entwickelt der Film“, begeistert sich die Jury, „die besondere Kraft, die uns beeindruckt hat, weil er sich nicht auf das vergangene Elend konzentriert, sondern einen Weg nach vorne zeigt, eine Frau, die selbstbestimmt gegen Widerstände auch der eigenen Familie voranschreitet. Überzeugt hat uns die junge Drehbuchautorin und Regisseurin Blerta Basholli, die die Hauptfigur ihres ersten Spielfilms in spröden Szenen und Dialogen entwickelt, die nie Gefahr laufen, ins Sentimentale abzurutschen. Mittels einer klugen und sehr präzisen Inszenierung verdichtet sie den Stoff zu einem bewegenden Film, der einen noch Tage später nicht loslässt.“
Der diesjährigen Jury gehörten an die Regisseure Tatia Skhirtladze, Melanie Lischker und Hauke Wendler.
Der mit 2.000 Euro dotierte Osnabrücker Filmpreis für Kinderrechte wird von einer eigenen Jugendjury vergeben. Pit, Lasse und Marian, alle drei besuchen die 10. Klasse der Integrierten Gesamtschule Osnabrück (IGS), entschieden sich für „Beans“. Die erfahrene Dokumentarfilmerin Tracey Deer, die den kanadischen Mohawk angehört, orientierte sich bei ihrem autobiografisch gefärbten ersten Kinospielfilm ihrerseits an einer historischen Episode. 1990 kam es wegen einer geplanten Bebauung heiligen Bodens zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe von Mohawk und der kanadischen Polizei. „Beans“ erzählt das Geschehen aus Warte der jugendlichen Titelheldin, die Geschichte eines Erwachsenwerdens zwischen den Kulturen, über Rassismuserfahrungen und eine politische Krise. Die Jury urteilt: „In dem Film wird veranschaulicht, dass in einem Streit von Erwachsenen keinerlei Rücksicht auf Kinder genommen wird und sie dadurch leiden müssen. Durch den Konflikt entwickelt sich Beans’ Persönlichkeit von einer schüchternen, lieben Zwölfjährigen zu einer entschlossen, selbstbewussten Teenagerin, die um ihre Rechte kämpft.“
Gestiftet wird der Filmpreis für Kinderrechte von der Stadt Osnabrück, Preispate ist das Kinderhilfswerk Terre des hommes.
Das Marketing Osnabrück fördert den studentischen Kurzfilm mit einer Preissumme in Höhe von 700 Euro, die in diesem Jahr an die Nachwuchsregisseurin Nele Dehnenkamp und ihren dokumentarischen Film „Seepferdchen“ gingen, eine Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg. Sensibel porträtiert Dehnenkamp die junge Jesidin Hanan, die während der Flucht über das Mittelmeer beinahe mit Eltern und Bruder über Bord gespült worden wäre. Sie stellt sich dem erlittenen Trauma, indem sie sich das mörderische Element Wasser tapfer zurückerobert und mittlerweile als Schwimmlehrerin arbeitet. Gekürt wurde der Preisträgerfilm per Stimmzettel durch das Publikum.
Ebenfalls per Publikumsvotum wurde der Gewinner des Kurzfilmpreises des FilmFests Osnabrück bestimmt. Die Wahl fiel auf den französischen Beitrag „Le monde en soi“ („The World Within“) von Sandrine Stoïanov und Jean-Charles Finck, die in ihrem 19-minütigen Animationsfilm die Themen Hypersensibilität und künstlerische Krisen einfühlsam in fantasievoll-eigenständige Bilder übersetzen. Ermöglicht wird diese Auszeichnung durch den Studierendenrat der Universität Osnabrück, der den Preis mit 500 Euro ausgestattet hat.
Der Friedensfilm-Preisträger „Hive“ wird am 26. Oktober 2021 um 18:30 Uhr in der Lagerhalle wiederholt.