Pressekonferenz des 35. Unabhängigen Filmfest Osnabrück
Großleinwand und Fernblick – Festivalvorbereitungen in Zeiten von Corona
Bewährte Programmpunkte, neue Formate: Bericht von der Pressekonferenz zur 35. Ausgabe des Unabhängigen FilmFests Osnabrück
Mit seinem unverwechselbaren Programmprofil nimmt das Unabhängige FilmFest Osnabrück einen festen Platz im Festivalkalender ein. Alljährlich reichen Filmschaffende aus aller Welt ihre aktuellen Arbeiten ein, um sie in Osnabrück präsentieren zu können.
Mit seiner 35. Ausgabe feiert das Unabhängige FilmFest ein kleines Jubiläum. Ausgerechnet in diesem Jahr erwiesen sich die Planungen als aufregendes Wechselbad zwischen Hoffen und Bangen, wie die Festivalleiterin Julia Scheck im Rahmen einer Pressekonferenz den versammelten Journalisten berichtete. Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie stellten das Organisationsteam vor bislang nicht gekannte Herausforderungen.
Dennoch: Vom 21. bis 25. Oktober wird in Osnabrück fünf Tage lang eine Auslese internationaler Kinoproduktionen angeboten, mit den gewohnten Festivalsektionen, Wettbewerben, einem umfassenden Rahmenprogramm und Gästen, die die Aufführung ihres Films begleiten werden. Andererseits unterscheidet sich das 35. FilmFest mit wesentlichen Neuerungen von den früheren Ausgaben: Erstmals gibt es gleichzeitige Aufführungen in drei Kinos und mit ffos+ ein Streaming-Angebot. Kino, so betonte Julia Scheck, die seit 2016 die Geschicke des Festivals lenkt, sollte auch in Zukunft auf der großen Leinwand stattfinden. Die Bild- und Tonqualität, der konzentrierte Blick, das Gemeinschaftsgefühl lassen sich am heimischen Bildschirm nicht ersetzen.
Spannende Wettbewerbe
Erneut werden im Rahmen des Festivals Auszeichnungen vergeben. Der mit 15.000 Euro dotierte Osnabrücker Friedensfilmpreis wird gestiftet von der Sievert Stiftung für Kunst und Kultur, die bei der Pressekonferenz durch Geschäftsführerin Katharina Meyer vertreten wurde. Für den Fachbereich Kultur der Stadt Osnabrück war Katrin Hafemann gekommen und unterstrich die Bedeutung des Mediums Film für die Vermittlung zeitkritischer und gesellschaftsrelevanter Inhalte. In diesem Sinne stattet die Stadt Osnabrück den im Zuge des Unabhängigen FilmFests von einer Kinderjury vergebenen Filmpreis für Kinderrechte mit einer Prämie in Höhe von 2.000 Euro aus.
Ebenfalls preisgekrönt werden der beste Kurzfilm und der beste studentische Kurzfilm. In diesen Sektionen entscheidet das Publikum. Preisstifter sind der Studierendenrat der Universität Osnabrück und das Marketing Osnabrück. Die Gewinner:innen werden im Rahmen der Abschlussveranstaltung in der Lagerhalle am Sonntag, 25.10., um 17 Uhr bekanntgegeben.
Künftiger „Tatort“-Kommissar in bissiger Politsatire
Nach einem Überblick über die in diesem Jahr vorherrschenden Themen vermittelten Ausschnitte des kommenden Programms erste bildliche Eindrücke und Begegnungen mit Schauspielerinnen und Schauspielern. Freuen darf sich das Publikum unter anderem auf den international gefragten, unter anderem aus „Game of Thrones“ bekannten Schauspieler Dar Salim, der ab dem Frühjahr 2021 in der Rolle des dänischen Ermittlers Mads Andersen im Bremer „Tatort“-Team ermitteln wird. Im Rahmen des FilmFests ist er in der Politsatire „Curveball – Wir machen die Wahrheit“ zu sehen: Als vorgeblicher Spion, der mit blumig ausgemalten Berichten die Initialzündung zum zweiten Irakkrieg leistet. Johannes Naber, der Regisseur des Films, wird die Aufführung voraussichtlich begleiten.
Auch Regisseur Jean Boué und Protagonisten seines Dokumentarfilms „Die letzten Reporter“ werden zur Weltpremiere in Osnabrück erwartet. Boué begleitete eine junge Journalistin und zwei ältere Kollegen über mehrere Monate mit der Kamera. Alle haben unterschiedliche Schwerpunkte, aber eines gemeinsam: Sie müssen sich mit Personalknappheit und im Zuge der Digitalisierung geänderten Arbeitsbedingungen arrangieren. Einer der drei porträtierten Reporter ist der Osnabrücker Journalist Werner Hülsmann. Die Filmkamera ist unter anderem dabei, wenn Hülsmann die Sopranistin Ulla Weller und den Schlagerparodisten Christian Steiffen interviewt. Auch Werner Hülsmann hat sein Erscheinen angekündigt.
In der traditionsreichen Autostadt Osnabrück, wo einst der legendäre Karmann Ghia vom Band lief, von besonderem Interesse: „Automotive“ thematisiert den Wandel der Autoindustrie, dargestellt an einer einfachen Leiharbeiterin, einem Personalführer, einer Headhunterin.
Beklemmend aktuell ist „Nothing to Be Afraid of“, ein leiser und doch eindringlicher Dokumentarfilm über Minensucher:innen im umstrittenen Grenzgebiet Bergkarabach, das in den letzten Wochen erneut Gegenstand militärischer Auseinandersetzungen geworden ist.
Rock, Reggae und Elektro-Pionierinnen
Auch „White Riot“, ein Dokumentarfilm über die Anfänge der britischen Rock-Against-Racism-Bewegung, verweist auf unsere Gegenwart: „Put Britain First!“ lautete einer der Slogans der rechtsradikalen National Front. Gleiche Töne kennt man aus dem derzeit stattfindenden US-amerikanischen Wahlkampf. Die Londoner Künstler- und Musikszene wollte die verbalen Ausfälle und gewalttätigen Übergriffe rechter Demokratiefeinde nicht stillschweigend hinnehmen und startete eine Kampagne. Zu den Bands der ersten Stunde zählten The Clash, Sham 69, die Tom Robinson Band, X-Ray Spex, Steel Pulse, Matumbi und Misty in Roots. Ein rares Juwel: In Originalaufnahmen ist die kurzlebige pakistanisch-britische Punkband Alien Kulture zu sehen und zu hören.
In einer Deutschlandpremiere zeigt das FilmFest „Le choc du futur“. Mit der Figur der Musikerin Ana würdigt der französische Spielfilm stellvertretend die Pionierinnen der elektronischen Musik und erzählt von der Weiterentwicklung der klassischen Elektronik zur tanzbaren Clubmusik. Die elektronische Musik ist ein Fachgebiet, auf dem an der Universität Osnabrück seit langem gelehrt und geforscht wird. Die Hauptdarstellerin Alma Jodorowsky ist die Enkelin des Regieexzentrikers Alejandro Jodorowsky. Frankreichs Disco-Pop-Ikone Corine spielt sich selbst.
Auf die Festivalbesucher:innen warten ferner Begegnungen mit brasilianischen Skaterinnen („My Name ist Baghdad“), russischen Exzentrikern („Garagenvolk“), den heutigen Bewohnern der berüchtigten Siedlung Colognia Dignidad („Songs of Repression“) und mit der mutigen Menschenrechtsaktivistin Ximei in dem von dem Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei produzierten gleichnamigen Dokumentarfilm. Das lebendige und bildgewaltige afrikanische Filmschaffen ist mit „This Is Not a Burial, It’s a Resurrection“ und „Air Conditioner“ in Osnabrück vertreten. Die angolanische Musikerin Aline Frazão schrieb den Soundtrack zu „Air Conditioner“, der soeben veröffentlicht wurde.
Stark besetzt ist ebenfalls die in Osnabrück traditionell gepflegte Sektion „Vistas Latinas“ mit gesellschaftskritischen, schaurigen, auch märchenhaft verspielten Filmen aus dem lateinamerikanischen Raum.
Das Programm wird abgerundet durch zwei Dokumentarfilme aus dem Programm des European Media Art Festivals, das in diesem Jahr in Reaktion auf die Corona-Krise abgesagt werden musste.
Veranstaltung: 35. Unabhängiges FilmFest Osnabrück
Termin: 21. bis 25.10.2020
Spielstätten: Filmpassage, Filmtheater Hasetor, Haus der Jugend, Lagerhalle
Anfangszeiten, weitere Informationen und Tickets unter filmfest-osnabrueck.de