© Harald Keller

„Ein unglaublich attraktiver Ort“

Babelsberger Filmschaffende planen für das kommende FilmFest eine Installation im Osnabrücker Felix-Nussbaum-Haus

 

Vorsicht, Zollstock. Der Strahl eines Lasermessgerätes piekt durch den Raum. Der helle Lichtfächer an der Außenwand stammt aus einem Beamer. Professorin Marlis Roth wechselt die Position, erprobt eine andere Perspektive. Ihre Studierenden erkunden mögliche Blick- und Projektionswinkel. Drücken sich in die spitzwinkligen Ecken, hocken am Fenster, strecken sich lang über den Boden.

 

Marlis Roth ist Dozentin für Künstlerische Montage und Nonlineare Formen an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Seit zehn Jahren verfolgt sie das Projekt „Site Specific Film“. Dahinter verbirgt sich die Herausforderung, kreativ auf gegebene Orte zu reagieren. „Es ist nicht so sehr die Statik, sondern die Atmosphäre in einem Raum, die uns interessiert“, erläutert Professorin Roth. Film bedeutet hier nicht die Projektion auf die rechteckige Leinwand, vielmehr wird der Raum als Material begriffen und Bestandteil der künstlerischen Montage. Er ist Gegenstand und Aufführungsort des filmischen Werks, eine abstrakte und reale Reflexionsebene.

 

Viele neue Möglichkeiten

 

Ende Juni war Marlis Roth mit sieben Studierenden für einen Tag in Osnabrück zu Gast, um den „Raum der Gegenwart“ im Osnabrücker Felix-Nussbaum-Haus zu vermessen, der im Oktober im Rahmen des Unabhängigen FilmFests Schauplatz einer eigens erstellten Videoinstallation werden wird. Für Professorin Roth war es der zweite Besuch in Osnabrück, die Studierenden betraten Neuland. Ihre ersten Reaktionen beim Betreten ihrer Wirkungsstätte: „Der ist ja riesig.“ – „Toll!“

 

Marlis Roth war zunächst auf das Unabhängige Filmfest Osnabrück aufmerksam geworden, dann sehr schnell auf das Museumsquartier mit dem von Stararchitekt Daniel Libeskind entworfenen Felix-Nussbaum-Haus. Marlis Roth: „Ein unglaublich attraktiver Ort“.

 

Bei Festivalleiterin Julia Scheck und der Leitung des Felix-Nussbaum-Hauses stieß das Vorhaben der Seminargruppe sofort auf Interesse. Die Seminarteilnehmer begannen zu recherchieren. Nussbaum, Daniel Libeskind, der Dreißigjährige Krieg, Friedensstadt – gleich die ersten Stichworte lieferten vielfältige Anregungen, die durch die persönliche Begegnung mit der Stadt konkretisiert und intensiviert wurden. „Der Raum wirkt wesentlich größer, als wir ihn auf den Bildern gesehen haben“, erläutert die Studentin Kathrin Unger. Ihr Kommilitone Nikan Salari fügt an: „Der Raum hat so viele neue Möglichkeiten eröffnet. Das ist positiv. Auf jeden Fall.“

 

Eine neue Art der Museumserfahrung

 

Einige Ideen wurden schon mitgebracht, neue entstanden spontan während des Besuches, der die Studierenden auch flanierend durch die Stadt führte. Einige kehren möglicherweise während des Sommers noch einmal wieder, um in Osnabrück Filmaufnahmen anzufertigen.

 

Dem Projekt kommt zupass, dass im Felix-Nussbaum-Haus derzeit keine Bilder gezeigt, sondern die Räume mit wechselnden Programmen bespielt werden. Ein passender Moment für die Ortsbegehung der Studierenden, auch für ihre filmkünstlerischen Ambitionen. Mechthild Achelwilm, Kuratorin für zeitgenössische Kunst und Programm des Museumsquartiers Osnabrück Felix-Nussbaum-Haus / Kulturgeschichtliches Museum: „Der Ansatz, sich von architektonischen Räumen und ihrer Sphäre inspirieren zu lassen und die eigene und gesellschaftliche Geschichte zu befragen, entspricht unserem Konzept und unserer Vorstellung für zukünftige Exponate und Ausstellungen im Raum der Gegenwart. Gesellschaftliche, politische oder historische Kontexte sind an einem expressiven Ort wie dem Felix-Nussbaum-Haus deutlich wahrnehmbar, sicht- und spürbar. Die Kooperation mit der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf verspricht eine wirklich interessante Zusammenführung und eine außergewöhnliche, spannende Museumserfahrung.“

 

Die Neugier ist geweckt

 

Das Ergebnis wird im Rahmen des Unabhängigen FilmFests zu sehen sein, das in diesem Jahr vom 17. bis 21. Oktober stattfindet. Festivalleiterin Julia Scheck zeigt sich über den Beitrag hocherfreut und sieht ihm bereits erwartungsvoll entgegen: „Die Ungewissheit, wie das Ergebnis am Ende konkret aussehen wird, weckt meine Neugier sehr stark und ich hoffe, das geht den Festivalbesucherinnen und Festivalbesuchern ähnlich. Gleichzeitig sehe ich sehr viele Parallelen zum FilmFest selbst. Jedes Jahr kommen wir für fünf Tage mit unseren Gästen und unserem Publikum an einem temporär geschaffenen Ort zusammen, um über Filme, die uns bewegen, zu sprechen und sie gemeinsam zu sehen. Das Projekt der Konrad-Wolf-Klasse von Professorin Marlis Roth treibt es einen Schritt weiter und kreiert etwas, was nur zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem sehr spezifischen Ort, unter bestimmten Parametern, funktioniert. Der Aspekt der Vergänglichkeit macht es in meinen Augen sehr besonders.“