Regienotizen zu „Aşk, Mark ve Ölüm“

Was fällt alles unter türkische Musik in Deutschland oder ist der Begriff an sich bereits unklar? Gibt es nicht unzählige türkische Musikstile? Was ist mit der Musik der hier lebenden Kurd:innen, Griech:innen, Armenier:innen, Yezid:innen aus der Türkei? Es fällt mir schwer über eine homogene türkische Musikkultur in Deutschland zu sprechen, denn sie ist unterschiedlich. Sogar in den verschiedenen Regionen der Bundesrepublik. Die musikalischen Szenen in Berlin, Frankfurt oder in Hamburg müssten im Grunde getrennt voneinander betrachtet werden, auch die Szenen in den Niederlanden, Belgien oder Frankreich. Dennoch sind sie Teil einer türkisch geprägten genreübergreifenden europäischen Popkultur, die in der BRD im Vergleich zum Mutterland eine völlig andere Richtung nahm. Sie ist originell, spricht ihren eigenen Slang, hat eigene Rituale und kreiert ihre eigenen Stars.

 

Diese Eigenständigkeit machte sie interessant für mich. Ich suchte weniger nach den Gemeinsamkeiten als nach den Differenzen. Was war hier anders und warum? Die Künstler:innen hier interpretierten Liedgut, Bräuche und Tänze unter den hiesigen Lebensumständen. Eine türkische oder kurdische Hochzeit in den 80er-Jahren in einer Turnhalle irgendwo im Ruhrgebiet hatte ganz andere gesellschaftliche Funktionen als eine vergleichbare Veranstaltung in der Türkei. Sie war Klassentreffen, Konzert und Paarbörse zugleich, zu der Gäste aus ganz Europa anreisten. Rituale wie das Verbrennen des türkischen Anisschnapses Raki waren deutsche Eigenheiten, die in der Türkei niemand kennt. Hochzeitsmusiker:innen in Deutschland mussten die Musikstile aller türkischen Regionen können, weil die Einwander:innen aus allen Gegenden der Türkei nach Deutschland gekommen waren. Auch der Sound veränderte sich hier durch den schnellen Zugriff auf technologische Entwicklungen wie zum Beispiel Keyboard Samples, die zuerst auf deutschen Musikmessen angeboten wurden.

 

Die Szene wuchs, veränderte sich über die Jahre, gehorchte Moden, setzte Trends, doch blieb sie den meisten Deutschen unbekannt. Sie war außerhalb der Community kaum sichtbar. Weder die deutschen Medien noch die deutsche Gesellschaft zeigten viel Interesse. Deswegen spricht man auch gerne von einer Subkultur. Dem möchte ich mit diesem Film entschieden entgegen-treten. Unsere Dokumentation verhandelt die musikalische Sozialisierung von drei Millionen türkeistämmigen Menschen in Deutschland. Das ist kein Under-ground, das ist schillerndste Popmusik.